Dies ist ein Artikel an alle, die jemanden mit einer Unverträglichkeit kennen
Rollst du genervt mit den Augen, wenn mal wieder jemand mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ankommt?
Mit aller Mühe bringst du einen Funken Mitleid auf, aber eigentlich verstehst du einfach nicht, was daran so schlimm sein soll?
Dann mach es dir gemütlich und komm mit auf eine Reise in das Leben mit Unverträglichkeiten.
Was ist eine Unverträglichkeit überhaupt?
Bei einer Lebensmittelunverträglichkeit funktioniert meistens im Darm nicht alles nach Plan. Es fehlen Helfer, die zum Beispiel Laktose verarbeiten. So landet sie unverdaut im Dickdarm, wo sich Darmbakterien darüber her machen, die eigentlich für andere Aufgaben verantwortlich sind. Dabei entstehen Gase, die zu Blähungen führen oder es entsteht Durchfall und andere Beschwerden.
Bei Fructoseintoleranz kann die Fructose im Dünndarm nicht schnell genug ins Blut transportiert werden. Wie die Laktose landet sie im Dickdarm, wo sie eigentlich nicht hingehört und führt zu ähnlichen Beschwerden.
Es gibt noch viele Lebensmittel mehr, die Verdauungsbeschwerden und auch Kopfschmerzen oder Hautprobleme auslösen können.
Im Darm liegt der Großteil unseres Immunsystems. Wenn er durch eine Unverträglichkeit irritiert ist, kann es sein, dass sich das auf das Immunsystem auswirkt. Dann kann es sein, dass du anfälliger bist für Krankheiten.
Durch die Beschwerden fühlen sich die Betroffenen oft schlapp und antriebslos. Es kann sein, dass sie schneller gereizt sind, weil sie sich unwohl fühlen und im schlimmsten Fall noch nicht wissen, von welchen Lebensmitteln sie Beschwerden bekommen.
Das dubiose Reizdarmsyndrom
Wenn es nur die Unverträglichkeit wäre, die du nicht verstehst. Nein, auch das Reizdarmsyndrom kommt noch dazu. Unter einem gereizten Darm kannst du dir nun wirklich nichts vorstellen. Der Betroffene konnte es dir nicht einmal einleuchtend erklären.
Das liegt daran, dass die Ärzte oft das Reizdarmsyndrom auspacken, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Nicht alle Unverträglichkeiten können mit einer Untersuchung festgestellt werden. Wenn die Testergebnisse zeigen, dass der Mensch gesund ist, sehen sie ihren Auftrag meistens erledigt. Beschwerden vom Essen werden dann gerne als Einbildung abgetan.
Wenn eine Unverträglichkeit festgestellt wurde, aber die Beschwerden nicht besser werden, packen sie das Reizdarmsyndrom oben drauf.
Oft wird es mit dem Satz garniert: “Da kann man nichts machen, arrangieren Sie sich damit.”
Weil sich der Darm bei fast jeden mit einer Unverträglichkeit gereizt anfühlt, akzeptieren sie es resigniert. Und was der Arzt sagt, muss ja stimmen, oder?
Und wie fühlt sich eine Unverträglichkeit an?
Falls du dir immer noch nicht so richtig vorstellen kannst, wie es ist, eine Unverträglichkeit zu haben, dann erinnere dich an deine letzte Magen-Darm-Grippe.
Erinnerst du dich an die schmerzhaften Krämpfe, Blähungen, die Übelkeit und den Durchfall, der dich blitzschnell auf die Toilette sprinten ließ? Super, denn mit einer Unverträglichkeit hast du diese Beschwerden im schlimmsten Fall täglich.
Stelle dir also eine Woche mit Magen-Darm-Grippe vor. Nur dass du nicht zu Hause im Bett liegst, leidest und dich so wenig wie möglich bewegst. Du machst all das, was du auch gesund machen würdest. Und andere von dir erwarten.
Montag
Du wirst nicht von deinem Wecker geweckt, sondern von schmerzhaften Bauchkrämpfen. Du versuchst noch mal zu schlafen, aber dein Bauch hält dich wach. Also stehst du auf und machst dich auf den Weg zur Arbeit.
Du bist Ansprechpartner bei einem umfangreichen und spannenden Projekt. Aber du musst viel koordinieren, dich mit Kollegen absprechen und den Überblick behalten. Mit Magen-Darm-Grippe gar nicht so einfach.
Du hetzt zwischen Telefon, Meetings und Toilette hin und her.
In Meetings wandert deine Konzentration zwischen Projektthemen und Bauchkrämpfen hin und her. Du möchtest dir nicht anmerken lassen, wie schlecht es dir geht und setzt ein verkrampftes Lächeln auf.
Am Nachmittag meldet sich eine Freundin, die du schon lange nicht mehr gesehen hast, ob ihr euch abends auf ein Bier treffen wollt. Bei dem Gedanke an Bier wird dir übel. Und nach einem Treffen ist dir auch nicht. Du bist müde von deinen Beschwerden, dem anstrengenden Arbeitstag und dem Vorspielen von Mir-geht-es-gut-alles-in-bester-Ordnung.
Du sagst ab und schaust abends deine Lieblingsserie. Gemütlich mit einem Tee auf der Couch.
Dienstag
Einigermaßen ausgeruht, schleppst du dich mit Magen-Darm-Grippe durch einen neuen Arbeitstag.
Abends zwingst du dich ins Fitnessstudio zu gehen. Du warst diesen Monat noch gar nicht und willst den Beitrag nicht umsonst zahlen. Außerdem ist Bewegung wichtig.
Müde schleppst du dich ins Fitnessstudio aufs Laufband. Nach zwei Kilometern meldet sich dein Bauch und du verschwindest auf die Toilette. Anschließend setzt du dich mit Bauchkrämpfen an die Geräte. Du versuchst dich auf die Übungen zu konzentrieren und dich nicht von deinen Bauchschmerzen einschränken zu lassen.
Völlig erschöpft fällst du abends ins Bett.
Mittwoch
Gerädert wirst du morgens von deinem Wecker geweckt. Du schaffst es kaum aus dem Bett.
Ein neuer anstrengender Arbeitstag mit Magen-Darm-Grippe ist nicht gerade motivierend.
Nach der Arbeit triffst du dich trotz Magen-Darm-Grippe mit deinen Freunden beim Italiener. Du hast sie schon lange nicht mehr gesehen. Meistens sagst du, wie am Montag, ab. Aber du befürchtest, dass sich deine Freunde irgendwann nicht mehr bei dir melden, wenn du immer absagst.
Eigentlich möchtest du nichts essen, weil du weißt, dass dir Pizza nicht bekommt. Doch deine Freunde überreden dich, doch wenigstens eine kleine Pizza zu bestellen, wo du schon einmal hier bist und alle so gemütlich zusammen sitzen.
Also bestellst du dir deine Lieblingspizza in der Hoffnung, dass dein rebellierender Bauch sie nicht direkt wieder rausschickt.
Du bist erschöpft von den Bauchkrämpfen, so zu tun als ob es dir gut geht, deinem anstrengenden Projekt und versuchst deinen Freunden aufmerksam zu zu hören. Du erwähnst deine Beschwerden, als sie dich darauf ansprechen, dass du blass wirkst. Du erntest mitleidige und zum Teil verständnislose Blicke.
Donnerstag
Du hast in der Nacht kaum geschlafen, weil dein Bauch mit der Pizza gekämpft. Dich plagen Krämpfe, Schmerzen und warst in der Nacht vier Mal auf der Toilette.
Mit dunklen Augenringen machst du dich auf den Weg zur Arbeit.
Nachmittags machst du früher Feierabend, um zum Arzt zugehen. So kann es doch nicht weiter gehen. Du brauchst irgendwelche Medikamente oder hast womöglich eine ernsthafte Krankheit.
Der Arzt untersucht dich gründlich und eröffnet dir: “Ihnen fehlt nichts, alles in bester Ordnung.”
Du bist fassungslos: “Aber mir geht es kotzübel. Ich schleppe mich durch den Tag und kann kaum etwas essen, ohne dass ich zur Toilette muss.”
Der Arzt schaut dich verwundert an: “Sie sind gesund, ich habe sie untersucht. Etwas anderes kann ich nicht machen.”
Er begleitet dich zur Tür und schiebt dich freundlich raus.
Fassungslos gehst du in die nächste Apotheke und deckst dich mit Medikamenten gegen Magen-Darm-Beschwerden ein.
Freitag
Die Medikamente scheinen noch nicht zu wirken. Also schleppst du dich wieder mit Magen-Darm-Grippe zur Arbeit. Zum Glück ist bald Wochenende. Du freust dich auf zwei gemütliche Tage auf deiner Couch.
Doch dann fällt dir plötzlich das große Familienessen am Samstag ein. Und am Sonntag möchte dein Partner euren nächsten Urlaub planen. Außerdem musst du einkaufen, die Wohnung putzen und mit deiner besten Freundin wolltest du auch noch telefonieren. Naja, wenigstens den Freitagabend kannst du auf der Couch verbringen.
Doch abends kommen spontan Freunde vorbei und überreden dich mit zu einer Party zu kommen. Du bist total geschlaucht von der Woche, möchtest deine Freunde aber nicht vor den Kopf stoßen.
Damit dein Bauch möglichst ruhig bleibt, trinkst du nur Wasser.
Mehrere Leute sprechen dich darauf an und wollen dich überreden einen Haselnussschnaps mit ihnen zu trinken.
“Einer geht doch”, meinen sie und knuffen dich in die Seite. Genervt gibst du nach, damit sie Ruhe geben.
Kaum ist der Schnaps in deinem Mund, musst du direkt zur Toilette sprinten. Der Abend ist damit für dich gelaufen und du machst dich auf den Heimweg.
Samstag
Du erwachst mal wieder mit höllischen Bauchschmerzen.
Du quälst dich in den Supermarkt und hast keine Ahnung, was du überhaupt essen kannst, ohne dass dein Bauch rebelliert. Frustriert kommst du zurück nach Hause und putzt die Wohnung, was deine Laune weiter verschlechtert.
Anschließend machst du dich auf zum Familienessen. Es gibt Braten mit Soße, Rotkohl, Kartoffelknödel und Preiselbeeren. Dazu gibt es Salat.
“Eine Portion geht doch”, meint deine Mutter und häuft deinen Teller voll.
Beim Anblick des vollen Tellers wird dir unwohl, weil du genau weißt, dass dein Bauch nicht erfreut darüber sein wird. Als du deine Portion ablehnst, beginnt eine Diskussion, dass du dich nicht so anstellen sollst. In Erinnerung an den Haselnussschnaps setzt du dich durch. Auf deinem Teller landen zwei Kartoffelknödel. Bei ihnen ist das Risiko am geringsten, dass dein Bauch rebelliert.
Sonntag
Dein Partner freut sich auf die Urlaubsplanung. Du hättest einfach gerne deine Ruhe und hast ein schlechtes Gewissen, weil dein Partner sich so viel Mühe gibt und du seine Freude mit deiner Laune verdirbst.
Du hast immer noch Magen-Darm-Grippe und sie wird dich auch im Urlaub begleiten.
Wie stellst du dir diesen Urlaub vor? Nicht sonderlich erholsam und auch nicht entspannt, wenn du andauernd Ausschau nach der nächsten Toilette halten musst. Ausflüge und Besichtigungen sind unter diesen Bedingungen anstrengend.
Dein Partner möchte aber so viel wie möglich sehen und überredet dich zu einer Stadtbesichtigung. Du stimmst zu, weil du auch etwas im Urlaub erleben und sehen möchtest. Dein Partner ist voller Energie und schleift dich gefühlt in jeden Winkel der schönen Stadt.
Du bist platt und kannst sie nicht genießen. Dein Bauch schmerzt und du bereust, dass du keinen gemütlichen Tag am Strand durchgesetzt hast. Deine Laune sinkt und du lässt deinen Frust an deinem Partner aus. Der ist verwirrt, wie du im Urlaub so schlechte Laune haben kannst.
Hier endet die Reise in den Alltag mit Unverträglichkeiten.
Fällt es dir nun leichter dich in jemanden mit einer Unverträglichkeit hineinzuversetzen? Niemand erwartet von dir, dass du alles versteht und nur noch Mitleid hast. Doch in manchen Situationen kannst du Pluspunkte sammeln, wenn du rücksichtsvoll bist und ein Nein akzeptierst – siehe Pizza und Haselnussschnaps. Du sagst schließlich auch nein zu Essen, das dir nicht schmeckt.
Falls du dir nicht vorstellen kannst, wie sich jemand mit einer Unverträglichkeit fühlt, dann frag nach. Jeder mit einer Unverträglichkeit wird dir gerne mehr dazu erzählen.