Gluten macht dumm. Gluten macht fett. Gluten verklebt den Körper.
Diese Behauptungen kommen dir sicher bekannt vor.
Da bist du froh, dass du kein Gluten verträgst!
Aber bist du dir da wirklich sicher? Oder verzichtest du Vorsichtshalber darauf?
Der Wirbel um Gluten ist aber auch wirklich verwirrend. Erst letztes Jahr erschien eine Studie in den USA, die für neue Diskussionen sorgte:
Auf Gluten verzichten kann ungesund sein
24 Jahre untersuchten die Forscher, was passiert, wenn Leute auf Gluten verzichten, die es eigentlich vertragen. Dabei stand jedoch nicht die Darm-, sondern die Herzgesundheit im Vordergrund. Nicht, dass das Herz weniger wichtig ist, aber wir sind hier in der Weglasserei, wo meistens der Darm Probleme macht.
Das Ergebnis: auf Gluten zu verzichten brachte ihnen keine gesundheitlichen Vorteile. Sie sollen sogar einen gesundheitlichen Nachteil haben. Denn wenn sie auf Vollkorn verzichten, fehlen ihnen die wichtigen B-Vitamine und das Weizenkeimöl daraus und sind damit anfälliger für Herzkrankheiten.
Aber stecken B-Vitamine nur in Getreide?
Nein! Du kannst sie auch mit anderen Lebensmitteln abdecken, z.B. mit Amaranth, Sonnenblumenkernen, Mandeln, Eiern, Keimlingen oder Kürbiskernen. Das wertvolle Vitamin E aus Weizenkeimöl steckt auch in anderen hochwertigen Pflanzenölen oder ebenfalls in Sonnenblumenkernen und Kürbiskernen.
Vollkorn wird bei Reizdarm und von empfindsamen Bäuchen oft nicht gut vertragen. Wenn du kein Gluten verträgst, erkrankt also nicht automatisch dein Herz.
Und mal ganz ehrlich: Heute isst doch kaum noch jemand Vollkorn?
Wo kannst du denn noch richtiges Vollkornbrot kaufen? Viele Bäckereien mischen es mit anderem Mehl oder färben sogar helles Brot ein, damit es wie Vollkornbrot aussieht! Das nenne ich mal Verarschung. Entschuldige diesen Ausdruck, aber bei so was werde ich wütend! Die meisten vertrauen darauf, dass ihnen auch das verkauft wird, was drauf steht. Dass die Industrie das so ausnutzt, finde ich unverschämt!
Diese Studie zeigt sehr schön, dass immer die Frage ist, was untersucht wurde und wie sie interpretiert wurde.
Gluten verklebt den Darm
Dass Gluten ungesund ist und Darm und Gefäße verkleben soll, ist eine inzwischen weit verbreitete Meinung. Wissenschaftliche Studien gibt es dazu jedoch keine eindeutigen. Im Dschungel aus widersprüchlichen Informationen ist mir keine begegnet. Wenn du eine hast, dann gerne her damit!
Fakt ist: Getreide übersäuert den Körper
Hast du schon mal vom Säure-Basen-Haushalt gehört?
Damit der Körper optimal funktioniert, müssen Säuren und Basen ausgeglichen sein.
Es gibt Bereiche im Körper, die eine basische Umgebung brauchen, wie z.B. der Dünndarm und welche, die eine saure Umgebung brauchen, wie z.B. der Magen.
Damit die Säuren und Basen in Balance bleiben, hat der Körper ein hauseigenes System, um zu viele Säuren zu neutralisieren.
Die Lebensmittel wirken basisch oder sauer im Körper. Basisch wirken z.B. Obst, Gemüse, Kartoffeln und Kräuter. Bei den sauer wirkenden Lebensmitteln gibt es schwach säurebildende und stark säurebildende. Schwach säurebildend sind z.B. Quinoa, Amaranth und Buchweizen – glutenfrei *hust*. Stark säurebildend sind z.B. Getreide, Fleisch, Milchprodukte und Eier sowie die meisten industriellen Fertigprodukte.
Wenn zu viele saure Lebensmitteln im Körper eintreffen, kann das körpereigne Puffersystem nicht alle Säuren abfangen.
Auch wenn der Körper Eiweiß aus dem Essen abbaut, entstehen Säuren. Der Körper kann nicht mehr richtig funktionieren und du fühlst dich nicht mehr wohl. Später können auch Krankheiten entstehen. Zum Beispiel, weil der Körper Mineralstoffe braucht, um die Säuren zu neutralisieren. Die holt er sich u.a. in Form von Calcium aus den Knochen, sodass über die Jahre Osteoporose entstehen kann.
Sind sauer wirkende Lebensmittel also grundsätzlich schlecht?
Nein! Der Körper braucht auch Säuren. Wichtig ist die Balance zwischen Säuren und Basen. 70-80 % der Lebensmittel die du isst, sollten basisch sein. 20-30 % können säurebildend sein.
Damit sind wir wieder beim Gluten: Getreide wirkt säurebildend. Also zählt Getreide zu den 20-30 % und sollte nur in geringen Mengen gegessen werden bzw. als Ausgleich entsprechend basische Lebensmittel dazu – Stichwort Obst und Gemüse. Das sollte möglichst den Großteil auf deinem Teller ausmachen.
Ist Gluten der Schuldige oder sind es in Wirklichkeit die FODMAPs?
Schauen wir uns Gluten bzw. Brot im Zusammenhang mit den FODMAPs an.
Forscher an der Universität Hohenheim haben herausgefunden, dass Weizen, Dinkel, Einkorn und Emmer ähnlich viele FODMAPs enthalten!
Aber warum vertragen dann die einen das Brot und die anderen nicht?
Die Spur führt in die Backstube: Denn dort hat sich die Ruhezeit des Teigs im Zeitalter der Industrie und Ungeduld immer mehr verkürzt. Heute ruht ein Teig meist nur noch zwei, bei Schnellbäckern oft nur noch eine Stunde.
Allerdings verringern sich die FODMAPs umso länger der Teig ruht. Nach vier Stunden Ruhezeit sind die FODMAPs verschwunden! Denn die Hefe im Teig futtert gerne Zucker und die FODMAPs sind ja Zuckerarten. Je mehr Zeit ihr gelassen wird, umso mehr Zucker und damit FODMAPs kann sie beseitigen.
Das ist der Grund, warum Brot aus lang ruhendem Teig verträglicher ist. Also liegt es gar nicht an den Zutaten, sondern an der Verarbeitung.
Wenn du also wieder Brot essen möchtest, schau dich nach einem Bäcker um, der noch selbst backt und frage ihn, wie lange der Teig ruhen darf. Bei Sauerteig werden die FODMAPs übrigens noch schneller abgebaut. Erkundige dich trotzdem auch nach den anderen Zutaten, um dich zu versichern, dass du alle verträgst.
Du findest keinen vernünftigen Bäcker? Dann backe dir dein eigenes Brot. Dann hast du es in der Hand, wie lange der Teig geht und welche Zutaten drin sind.
Schön und gut, denkst du dir jetzt.
Aber wie kann eine Glutenunverträglichkeit festgestellt werden?
Darmspiegelung
Nur Zöliakie kann in einer Untersuchung eindeutig von einem Arzt festgestellt werden. Dazu entnimmt er dir bei einer Darmspiegelung etwas Gewebe, um es zu untersuchen. Wenn du Zöliakie hast, musst du komplett auf Gluten verzichten – auch auf Spuren. Denn Gluten zerstört in diesem Fall deine Darmzotten und löst heftige Entzündungen in deinem Darm aus, die die Darmschleimhaut zerstören. Damit Zöliakie eindeutig festgestellt werden kann ist es wichtig, dass du vor der Untersuchung nicht schon wochenlang Gluten weggelassen hast. Sonst hat sich die Darmschleimhaut erholt und der Arzt erkennt die Zöliakie nicht.
Bluttest
Viele Ärzte bieten auch eine Untersuchung des Bluts an. Allerdings sind sie wissenschaftlich umstritten, weil sie angeblich kein eindeutiges Ergebnis liefert. Wenn dein Blut getestet wurde und keine Glutensensitivität festgestellt wurde, dann kann es trotzdem sein, dass dir Gluten nicht bekommt.
Ausprobieren
Wenn du vermutest, dass du Gluten nicht verträgst, dann lass Getreide für zwei Wochen weg und schau, ob es dir besser geht. Am besten lässt du dich dabei von einem Ernährungsberater begleiten, damit du mit allen wichtigen Nähr- und Vitalstoffen versorgt bleibst. Auch ein Ernährungstagebuch ist super hilfreich. Damit kannst du beobachten, ob vielleicht doch etwas anderes für deine Beschwerden verantwortlich ist.
Und wann soll ich Gluten meiden?
Bei Heuschnupfen
Wenn du eine Gräserallergie hast, dann kann es sein, dass du Getreide nicht verträgst und Heuschnupfensymptome auslöst. Beobachte das mal und lass es weg, wenn es dir ohne besser geht. Auch wenn du gegen Roggen oder Gerste allergisch bist, kann es sein, dass dir das entsprechende Mehl oder Lebensmittel daraus nicht bekommen.
Wenn der Körper es dir signalisiert
Lass dich nicht von Studien, angstmachenden Artikeln oder schiefen Blicken verunsichern. Wenn du merkst, dass dir Getreide nicht bekommt, dann lass dir von niemandem einreden, dass das nicht sein kann. Höre auf deinen Körper. Und wenn er mit Bauchkrämpfen und Durchfall auf sich aufmerksam macht, dann teste, ob es dir ohne Gluten besser geht.
Und was heißt das jetzt genau – ist Gluten ungesund?
Hinterfrage jede Studie und schau, was genau erforscht wurde und ob das auf deine Situation passt.
Wenn dir dein Körper dir mit Bauchkrämpfen und Durchfall signalisiert, dass er kein Gluten möchte, dann lass es weg! Egal was andere sagen oder Studien belegen.
Durch eine Untersuchung kann nur Zöliakie mit Sicherheit festgestellt werden. Alle anderen Tests, die es bisher gibt, sind wissenschaftlich umstritten.
Solltest du Gluten bisher aus Vorsichtsmaßnahmen weggelassen haben und du Brot vermisst, dann wage ein Experiment und backe dir ein FODMAP-armes Brot.
Es kommt ja auch immer darauf an, wie viele glutenhaltige Nahrungsmittel du bisher gegessen hast.
Wenn es ein Croissant zum Frühstück, ein belegtes helles Weizenbrötchen zu Mittag und ein Brot aus dem Supermarkt zum Abendessen war, bist du ohne Gluten besser dran. Wenn du Vollkornbrot isst und das als Vorsichtsmaßnahme weggelassen hast, kannst du es wieder aus der Brotdose kramen und dir zwei Scheiben am Tag gönnen. Wichtig ist, dass Getreideprodukte nicht den meisten Platz auf deinem Teller einnehmen, sondern genügend Platz für Obst und Gemüse ist.